Die neuen Straßennamen im Verkoppelungsgebiet
Sellen-Burgsteinfurt und in der Rottor-Feldmark
Von Professor Dr. Döhmann, Stadtarchivar, 1929
1. Abschnitt: Zwischen Veltruper Kirchweg und Leerer Strasse
Die Nord- und Westgrenze dieses Abschnitts wird gebildet durch die Kreisstraße von Burgsteinfurt nach Leer, welche im Bereich des Stadtgebiets künftig auch für den hinter der Unterführung gelegenen Teil den Namen „Leerer Straße“ anstatt der grammatisch unrichtigen Bezeichnung Leerstraße erhalten soll, was im Anhang näher begründet werden wird. Wir beginnen unseren Rundgang im Westen des ersten Abschnitts.
Etwa 500 Meter hinter dem uralten Hofe Schulze Veltrup macht die Kreisstraße eine scharfe Biegung nach Norden und wendet sich dann nach 200 Metern wieder nach Osten dem Rotttor zu. Bei der ersten Biegung zweigt sich von ihr ein alter Weg ab, der die bis dahin verfolgte westöstliche Richtung der Landstraße beibehält, die beiden Eisenbahnlinien nach Münster und Oberhausen schneidet und südlich der Großen Kirche und der Kommende in die Straße auf dem Friedhof mündet. Dieser Weg hieß früher „de Lieckstegge“, 1738 und 1769 die Leichstiege und dann die Totenstiege, weil auf ihm die Leichen der Veltruper nach dem Kirchhof bei der Großen Kirche gefahren wurden. Diese Trübsal kündenden Namen sind natürlich nicht für neue Straßennamen verwendbar, und es liegt hier ein Fall vor, in dem man mit Rücksicht auf die zarter besaiteten Nerven der heutigen Menschheit und auf die in Aussicht stehende Besiedelung des Geländes unbedenklich den alten Namen preisgeben und durch einen weniger anstößigen und doch in diskreter Weise ungefähr dasselbe besagenden neuen Namen, nämlich „Veltruper Kirchweg“, ersetzen darf.
Die zwischen diesem Wege, der Kreisstraße und der Eisenbahn nach Münster liegenden Kämpe werden durch mehrere Querwege in nördlicher Richtung durchschnitten. Der erste Kamp im Westen heißt der Wächterkamp (1655 Wechterkamp), und der ihn im Osten begrenzende Weg wird daher „Wächterkamp“ genannt werden. Der zweite Kamp ist der aus mehreren Stücken bestehende sehr große „Wilderkamp“; er reicht im Osten bis zu der alten Wilderkampstiege, deren Fortsetzung nördlich der Kreisstraße die Kreuzstiege bildet. Da in der Mitte des Wilderkamps noch ein kürzerer Parallelweg angelegt werden soll, so erscheint es passend, diese beiden Wege „Großer und Kleiner Wilderkamp“ zu nennen. Für den kleinen Weg nördlich des Wilderkamps wird in Ermangelung eines älteren Namens die Bezeichnung Veltruper Stiege vorgeschlagen.
1. Abschnitt: Zwischen Veltruper Kirchweg und Leerer Strasse
Die Nord- und Westgrenze dieses Abschnitts wird gebildet durch die Kreisstraße von Burgsteinfurt nach Leer, welche im Bereich des Stadtgebiets künftig auch für den hinter der Unterführung gelegenen Teil den Namen „Leerer Straße“ anstatt der grammatisch unrichtigen Bezeichnung Leerstraße erhalten soll, was im Anhang näher begründet werden wird. Wir beginnen unseren Rundgang im Westen des ersten Abschnitts.
Etwa 500 Meter hinter dem uralten Hofe Schulze Veltrup macht die Kreisstraße eine scharfe Biegung nach Norden und wendet sich dann nach 200 Metern wieder nach Osten dem Rotttor zu. Bei der ersten Biegung zweigt sich von ihr ein alter Weg ab, der die bis dahin verfolgte westöstliche Richtung der Landstraße beibehält, die beiden Eisenbahnlinien nach Münster und Oberhausen schneidet und südlich der Großen Kirche und der Kommende in die Straße auf dem Friedhof mündet. Dieser Weg hieß früher „de Lieckstegge“, 1738 und 1769 die Leichstiege und dann die Totenstiege, weil auf ihm die Leichen der Veltruper nach dem Kirchhof bei der Großen Kirche gefahren wurden. Diese Trübsal kündenden Namen sind natürlich nicht für neue Straßennamen verwendbar, und es liegt hier ein Fall vor, in dem man mit Rücksicht auf die zarter besaiteten Nerven der heutigen Menschheit und auf die in Aussicht stehende Besiedelung des Geländes unbedenklich den alten Namen preisgeben und durch einen weniger anstößigen und doch in diskreter Weise ungefähr dasselbe besagenden neuen Namen, nämlich „Veltruper Kirchweg“, ersetzen darf.
Die zwischen diesem Wege, der Kreisstraße und der Eisenbahn nach Münster liegenden Kämpe werden durch mehrere Querwege in nördlicher Richtung durchschnitten. Der erste Kamp im Westen heißt der Wächterkamp (1655 Wechterkamp), und der ihn im Osten begrenzende Weg wird daher „Wächterkamp“ genannt werden. Der zweite Kamp ist der aus mehreren Stücken bestehende sehr große „Wilderkamp“; er reicht im Osten bis zu der alten Wilderkampstiege, deren Fortsetzung nördlich der Kreisstraße die Kreuzstiege bildet. Da in der Mitte des Wilderkamps noch ein kürzerer Parallelweg angelegt werden soll, so erscheint es passend, diese beiden Wege „Großer und Kleiner Wilderkamp“ zu nennen. Für den kleinen Weg nördlich des Wilderkamps wird in Ermangelung eines älteren Namens die Bezeichnung Veltruper Stiege vorgeschlagen.
Der dritte, aus zwei Stücken bestehende Kamp östlich vom Wilderkamp heißt „die Wemhöve“. Das weitverbreitete Wort Weme ist eine Kürzung von Wedeme, Widum, hängt also mit unserem Worte widmen (weihen, schenken) zusammen und bezeichnet ein der Kirche geweihtes oder geschenktes Gut, insbesondere das Pfarrhaus Die Wemhöfe haben jedenfalls zu dem bei der Stiftung der Pfarrkirche oder Großen Kirche von Steinfurt dem Pfarrer überwiesenen Gut und Einkommen gehört und sind 1270 an die Johanniter auf der Kommende gekommen, als diese von den Edlen von Steinfurt das Patronatrecht über die Kirche und damit das Recht der Anstellung des Pfarrers erhielten. Bis 1564 ist jedesmal ein Mitglied der Steinfurter Ordenskommende unter dem Titel „Prior von Steinfurt“ Pfarrer der Großen Kirche gewesen, und auch nach der Einführung der Reformation haben die Johanniter die Wemhöfe besessen, bis die Kommende 1806 von Murat als Großherzog von Berg eingezogen und 1811 von Napoleon zu den Kaiserlich französischen Domänen geschlagen wurde. Seit 1816 gehört die Kommende mit ihrem Zubehör, darunter die Wemhöfe, dem fürstlichen Hause Bentheim. Da noch im vorigen Jahrhundert auf den Wemhöfen Reste von Wällen und Gräben vorhanden gewesen sind und der Name Weme in der Regel ein Pfarrhaus bezeichnet, so wird hier schon in sehr alter Zeit, bevor es eine Kommende bei der Großen Kirche gab, die Weme oder die Pfarrwohnung gestanden haben. Wegen dieser für die kirchliche Geschichte von Steinfurt bedeutungsvollen Umstände ist es gerechtfertigt, daß der Weg im Osten des Grundstücks bis zur Kreisstraße die „Wemhöfer Stiege“ genannt wird. Der kleine Weg im Norden der Wemhöfe hieß 1655 der Schafweg. Dieser Name könnte zwar zur Erinnerung an die in unserer Gegend bis vor 100 Jahren sehr verbreitete Schafzucht beibehalten werden, aber derselbe Zweck wird auch erreicht, wenn man ihn „Schäferweg“ nennt, was vermutlich den Anwohnern lieber sein wird.
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Der vierte, aus mehreren Stücken bestehende große und bis zu dem Vergleich von 1914 zur Bauerschaft Veltrup gehörig gewesene Kamp wird in neueren Aktenstücken „Schrabenskamp“ genannt, aber dieses Wort wird von den Umwohnenden Schroabähnskamp mit dem Ton auf der Silbe bähns ausgesprochen. Nach dem ältesten Kataster von 1828 hieß jedoch der Kamp „Schrabeerenkamp“ und gehörte damals Schulze Veltrup. Schra oder schroa bedeutet mager, und Schroabeeren nennt man in der Gegend von Dortmund nach dem Zeugnis des Herrn Bürgermeisters Herberholz noch heute die Brombeeren, weil sie auf magerem und unfruchtbarem Boden wachsen. Herr Herberholz erinnert sich auch noch sehr gut daran, daß es große Mühe gekostet hat die vielen Brombeersträucher auf dem Schrabenskamp auszurotten, als der Kreis dort kurz vor dem Weltkriege seinen Mustergarten für Obst- und Gemüsebau anlegte. Es dient also der Erhaltung eines hier fast ganz verschollenen Sprachgutes (Schroabeeren = Bromheeren), wenn wir den Weg an der Ostseite des Kamps längs der Eisenbahn „Am Schrabeerenkamp“ nennen.
Für den ganzen Weg, der von der Kreisstraße nach dem Kreisgarten führt, dürfte die Bezeichnung Kreisgartenweg angebracht sein. Der diesen Weg vor dem Kreisgarten durchschneidende Querweg wird nach dem nordwestlich angrenzenden Kamp „Am Stiegenkamp“ genannt werden. Östlich von ihm liegt der bis zur Eisenbahn und zur Kreisstraße reichende achterste Bomgarden, auf den die von der Kulenburg herkommende Bonenstiege (vgl. den folgenden Abschnitt) zuläuft. Zusammen mit dem untersten und mittelsten Bomgarden diesseits der Eisenbahn zwischen der Rottstiege (Leerer Straße), und den Wällen der Stadt und des Friedhofs bis zur Citadelle war er von je her eine große Weide, die den Edlen von Steinfurt und ihren Nachfolgern aus dem Hause Bentheim gehörte. Es waren also hier keine oder nur vereinzelte Bäume vorhanden, und die jetzige Bezeichnung Baumgarten ist daher als eine mißverständliche Verhochdeutschung von Bomgarden anzusehen, was im folgenden Abschnitt noch weiter begründet werden soll. Für den Weg, der den achtersten Bomgarden in nord-südlicher Richtung durchschneidet, muß die alte Namensform Bomgardenweg um so mehr beibehalten werden, als in dem Bomgarden diesseits der Eisenbahn bereits eine Baumgartenstraße vorhanden ist. Dem Wege von der Kreisstraße bei der Unterführung an der Bahn nach Münster entlang bis zu dem Querwege „Am Stiegenkamp“ ist der Name „Neue Rottstiege“ beigelegt worden, damit der für die Siedelungsgeschichte wichtige alte Name Rottstiege, der erst vor wenigen Jahrzehnten durch den Namen Leerstraße (richtiger Leerer Straße) verdrängt worden ist, erhalten bleibt.
Auf der Südseite der Leerer Straße von der Baumgartenstraße bis zu dem neuen Kreisgartenweg lag in drei bis vier Reihen hinter einander eine Menge von kleinen Gärten, von denen mindestens zehn infolge der Erbauung der beiden Eisenbahnen verschwunden sind. Unmittelbar vor der jetzigen Unterführung ging von der Rottstiege (Leerer Straße) nach Süden eine Stiege ab, die mit einem kurzen und einem längeren nach Westen gerichteten Ausläufer den Zugang zu den Gartenreihen ermöglichte. Während die kleine Stiege dem Eisenbahnbau ganz zum Opfer gefallen ist, hat sich von der längeren Seitenstiege ein Stück jenseits der Bahn nach Münster erhalten. Diese beiden Stiegen hießen die Kleine und die Große Ministenstiege. In neuerer Zeit hat man das unverständliche Wort Ministen oft für einen Schreibfehler der früheren Katasterbeamten gehalten, und besonders scharfsinnige Leute glaubten es in Minister verbessern zu müssen. Auf diese Weise wurden in amtlichen Akten aus den kleinen Gartenstiegen wundervolle Ministerstiegen gemacht, was einen zwar besser verständlichen aber nichts desto weniger haarsträubenden Unsinn ergab.
Die ursprüngliche und richtige Form des Namens Ministen ist aber Mennisten, und gemeint sind damit die Mennoniten, d. h. Anhänger der Lehre des Friesen Menno Simons, der nach den bekannten Ausschreitungen der münsterschen Wiedertäufer die sehr friedliche und aller Schwärmerei abgeneigte Gemeinde der Taufgesinnten gründete. Seine Lehre war auch im Stift Münster stark verbreitet, als 1612 die Gegenreformation mit voller Wucht einsetzte. Unter dem bewußt unwahren Vorwande, daß die Mennisten den durch Reichsgesetz verbotenen Wiedertäufern gleichzusetzen seien, wurden viele der fleißigsten und tüchtigsten Bürger von Bocholt, Borken, Vreden, Ahaus, Ochtrup usw. von Haus und Hof vertrieben, und eine große Anzahl von ihnen suchte und fand für sich und ihre Familien zu Steinfurt bei dem toleranten Grafen Wilhelm Heinrich Zuflucht und Schutz. So bildete sich hier eine ansehnliche Gemeinde von Mennisten, und nach ihrem Führer Heinrich von Kalkar heißt noch heute die Stiege zwischen der Hahnenstraße und dem Bütkamp, an welcher die beiden von ihm bewohnt gewesenen Häuser liegen, die Kalkarstiege. Einer seiner Nachkommen war, nebenbei bemerkt, der vor einigen Jahren verstorbene hochangesehene Rechtslehrer an der uns leider entrissenen Universität Straßburg Prof. Dr. Jan van Calker.
Der Rat und die Bürger der Stadt fanden allerdings an den Mennisten-Flüchtlingen manches auszusetzen da diese strengen Pazifisten sich an den Schützenfesten und Soldatenspielereien der Bürger nicht beteiligen wollten und außerdem durch eine damals sehr ungewöhnliche Nüchternheit, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit unangenehm auffielen. Nach der Eroberung und Verwüstung von Steinfurt durch die Kaiserlichen im Jahre 1635 flüchteten die meisten Steinfurter Mennisten nach den Niederlanden und zwar besonders nach Twente, und in ihrer neuen Heimat sind viele ihrer Nachkommen als Industriekapitäne, Großkaufleute, Bankiers und Staatsmänner zu hohem Ansehen und Wohlstand gelangt. Die in Steinfurt zurückgebliebenen Mennisten blieben ihren guten Ueberlieferungen treu und lebten still und zurückgezogen unter ihren Mitbürgern. Für ihre Armen gründeten sie den Mennoniten-Armenfond, der 1784 bei dem Wegzuge der letzten Mennonitenfamilien nach Holland unter gewissen Bedingungen der Stadt übergeben wurde. In unserm Jahrhundert ist auch der Name Mennoniten hier so in Vergessenheit geraten, daß man es fertig gebracht hat, ihn in Minoriten, also Franziskanermönche, zu entstellen! Um die Erinnerung an eine interessante und schon wegen des Armenfonds wichtige Episode der Stadtgeschichte aufzufrischen und dauernd zu erhalten, ist es notwendig, nicht nur dem noch übriggebliebenen Rest der „Großen Ministenstiege“ den richtigen Namen „Mennistenstiege“ wiederzugeben, sondern auch dem südlich von dieser Stiege nach dem achtersten Bomgarden hin gelegenen neuen Wege den Namen „Mennonitenstiege“ beizulegen.
Für den ganzen Weg, der von der Kreisstraße nach dem Kreisgarten führt, dürfte die Bezeichnung Kreisgartenweg angebracht sein. Der diesen Weg vor dem Kreisgarten durchschneidende Querweg wird nach dem nordwestlich angrenzenden Kamp „Am Stiegenkamp“ genannt werden. Östlich von ihm liegt der bis zur Eisenbahn und zur Kreisstraße reichende achterste Bomgarden, auf den die von der Kulenburg herkommende Bonenstiege (vgl. den folgenden Abschnitt) zuläuft. Zusammen mit dem untersten und mittelsten Bomgarden diesseits der Eisenbahn zwischen der Rottstiege (Leerer Straße), und den Wällen der Stadt und des Friedhofs bis zur Citadelle war er von je her eine große Weide, die den Edlen von Steinfurt und ihren Nachfolgern aus dem Hause Bentheim gehörte. Es waren also hier keine oder nur vereinzelte Bäume vorhanden, und die jetzige Bezeichnung Baumgarten ist daher als eine mißverständliche Verhochdeutschung von Bomgarden anzusehen, was im folgenden Abschnitt noch weiter begründet werden soll. Für den Weg, der den achtersten Bomgarden in nord-südlicher Richtung durchschneidet, muß die alte Namensform Bomgardenweg um so mehr beibehalten werden, als in dem Bomgarden diesseits der Eisenbahn bereits eine Baumgartenstraße vorhanden ist. Dem Wege von der Kreisstraße bei der Unterführung an der Bahn nach Münster entlang bis zu dem Querwege „Am Stiegenkamp“ ist der Name „Neue Rottstiege“ beigelegt worden, damit der für die Siedelungsgeschichte wichtige alte Name Rottstiege, der erst vor wenigen Jahrzehnten durch den Namen Leerstraße (richtiger Leerer Straße) verdrängt worden ist, erhalten bleibt.
Auf der Südseite der Leerer Straße von der Baumgartenstraße bis zu dem neuen Kreisgartenweg lag in drei bis vier Reihen hinter einander eine Menge von kleinen Gärten, von denen mindestens zehn infolge der Erbauung der beiden Eisenbahnen verschwunden sind. Unmittelbar vor der jetzigen Unterführung ging von der Rottstiege (Leerer Straße) nach Süden eine Stiege ab, die mit einem kurzen und einem längeren nach Westen gerichteten Ausläufer den Zugang zu den Gartenreihen ermöglichte. Während die kleine Stiege dem Eisenbahnbau ganz zum Opfer gefallen ist, hat sich von der längeren Seitenstiege ein Stück jenseits der Bahn nach Münster erhalten. Diese beiden Stiegen hießen die Kleine und die Große Ministenstiege. In neuerer Zeit hat man das unverständliche Wort Ministen oft für einen Schreibfehler der früheren Katasterbeamten gehalten, und besonders scharfsinnige Leute glaubten es in Minister verbessern zu müssen. Auf diese Weise wurden in amtlichen Akten aus den kleinen Gartenstiegen wundervolle Ministerstiegen gemacht, was einen zwar besser verständlichen aber nichts desto weniger haarsträubenden Unsinn ergab.
Die ursprüngliche und richtige Form des Namens Ministen ist aber Mennisten, und gemeint sind damit die Mennoniten, d. h. Anhänger der Lehre des Friesen Menno Simons, der nach den bekannten Ausschreitungen der münsterschen Wiedertäufer die sehr friedliche und aller Schwärmerei abgeneigte Gemeinde der Taufgesinnten gründete. Seine Lehre war auch im Stift Münster stark verbreitet, als 1612 die Gegenreformation mit voller Wucht einsetzte. Unter dem bewußt unwahren Vorwande, daß die Mennisten den durch Reichsgesetz verbotenen Wiedertäufern gleichzusetzen seien, wurden viele der fleißigsten und tüchtigsten Bürger von Bocholt, Borken, Vreden, Ahaus, Ochtrup usw. von Haus und Hof vertrieben, und eine große Anzahl von ihnen suchte und fand für sich und ihre Familien zu Steinfurt bei dem toleranten Grafen Wilhelm Heinrich Zuflucht und Schutz. So bildete sich hier eine ansehnliche Gemeinde von Mennisten, und nach ihrem Führer Heinrich von Kalkar heißt noch heute die Stiege zwischen der Hahnenstraße und dem Bütkamp, an welcher die beiden von ihm bewohnt gewesenen Häuser liegen, die Kalkarstiege. Einer seiner Nachkommen war, nebenbei bemerkt, der vor einigen Jahren verstorbene hochangesehene Rechtslehrer an der uns leider entrissenen Universität Straßburg Prof. Dr. Jan van Calker.
Der Rat und die Bürger der Stadt fanden allerdings an den Mennisten-Flüchtlingen manches auszusetzen da diese strengen Pazifisten sich an den Schützenfesten und Soldatenspielereien der Bürger nicht beteiligen wollten und außerdem durch eine damals sehr ungewöhnliche Nüchternheit, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit unangenehm auffielen. Nach der Eroberung und Verwüstung von Steinfurt durch die Kaiserlichen im Jahre 1635 flüchteten die meisten Steinfurter Mennisten nach den Niederlanden und zwar besonders nach Twente, und in ihrer neuen Heimat sind viele ihrer Nachkommen als Industriekapitäne, Großkaufleute, Bankiers und Staatsmänner zu hohem Ansehen und Wohlstand gelangt. Die in Steinfurt zurückgebliebenen Mennisten blieben ihren guten Ueberlieferungen treu und lebten still und zurückgezogen unter ihren Mitbürgern. Für ihre Armen gründeten sie den Mennoniten-Armenfond, der 1784 bei dem Wegzuge der letzten Mennonitenfamilien nach Holland unter gewissen Bedingungen der Stadt übergeben wurde. In unserm Jahrhundert ist auch der Name Mennoniten hier so in Vergessenheit geraten, daß man es fertig gebracht hat, ihn in Minoriten, also Franziskanermönche, zu entstellen! Um die Erinnerung an eine interessante und schon wegen des Armenfonds wichtige Episode der Stadtgeschichte aufzufrischen und dauernd zu erhalten, ist es notwendig, nicht nur dem noch übriggebliebenen Rest der „Großen Ministenstiege“ den richtigen Namen „Mennistenstiege“ wiederzugeben, sondern auch dem südlich von dieser Stiege nach dem achtersten Bomgarden hin gelegenen neuen Wege den Namen „Mennonitenstiege“ beizulegen.