Die neuen Straßennamen im Verkoppelungsgebiet
Sellen-Burgsteinfurt und in der Rottor-Feldmark
Von Professor Dr. Döhmann, Stadtarchivar, 1929
4. Abschnitt: Zwischen der Bahnstrecke nach Gronau und nach Rheine
Der Name der Brückenstraße für die Verlängerung der diesseits der Eisenbahn gelegenen Brückenstraße bleibt bestehen. Der von hier bis zur Ochtruper Straße an der Bahn entlang führende Weg heißt Eisenbahnstraße. Die ihrem anspruchsvollen Namen wenig Ehre machende Goldstraße verschwindet und dafür ist dem ganzen Straßenzug vom Bahnhof bis zur Ochtruper Straße entgegen meinem Vorschlage der Name Hindenburgstraße beigelegt worden. Um allen Parteien gerecht zu werden, hat man dem ebenso langen Straßenzuge, der hinter dem Sonnenschein sich von der Hindenburgstraße abzweigt und über die Metelerstiege und die Ochtruper Straße zuletzt parallel zur neuen Stadtgrenze sich bis zur Langen Stiege hinzieht, den Namen „Friedrich Ebert-Straße“ gegeben. Es mag dahingestellt bleiben, ob es richtig war, politische Momente in eine Sache hineinzutragen, die mit Politik gar nichts zu tun bat, jedenfalls ist es zu bedauern, daß auf diese Weise einer der wichtigsten Flurnamen auf eine unrichtige Stelle verschoben worden ist. Es lag nämlich zwischen dem mittleren Teile der neuen Hindenburgstraße (vom Sonnenschein bis zur Metelerstiege) und dem Anfang der Friedrich Ebert-Straße früher der Adelings-Brink. Da Brink ursprünglich Höhenrand und dann allgemein Rand bedeutet, so kann der Adelingsbrink nur der westliche Rand des Adelingsesch sein, und die neue Brinkstraße durfte gemäß meinem Vorschläge nur hier am Rande liegen, aber nicht wie es beschlossen ist, den Esch in seiner Mitte durchschneiden. Nach dem Adelingsesch ist übrigens auch eine Straße benannt worden.
4. Abschnitt: Zwischen der Bahnstrecke nach Gronau und nach Rheine
Der Name der Brückenstraße für die Verlängerung der diesseits der Eisenbahn gelegenen Brückenstraße bleibt bestehen. Der von hier bis zur Ochtruper Straße an der Bahn entlang führende Weg heißt Eisenbahnstraße. Die ihrem anspruchsvollen Namen wenig Ehre machende Goldstraße verschwindet und dafür ist dem ganzen Straßenzug vom Bahnhof bis zur Ochtruper Straße entgegen meinem Vorschlage der Name Hindenburgstraße beigelegt worden. Um allen Parteien gerecht zu werden, hat man dem ebenso langen Straßenzuge, der hinter dem Sonnenschein sich von der Hindenburgstraße abzweigt und über die Metelerstiege und die Ochtruper Straße zuletzt parallel zur neuen Stadtgrenze sich bis zur Langen Stiege hinzieht, den Namen „Friedrich Ebert-Straße“ gegeben. Es mag dahingestellt bleiben, ob es richtig war, politische Momente in eine Sache hineinzutragen, die mit Politik gar nichts zu tun bat, jedenfalls ist es zu bedauern, daß auf diese Weise einer der wichtigsten Flurnamen auf eine unrichtige Stelle verschoben worden ist. Es lag nämlich zwischen dem mittleren Teile der neuen Hindenburgstraße (vom Sonnenschein bis zur Metelerstiege) und dem Anfang der Friedrich Ebert-Straße früher der Adelings-Brink. Da Brink ursprünglich Höhenrand und dann allgemein Rand bedeutet, so kann der Adelingsbrink nur der westliche Rand des Adelingsesch sein, und die neue Brinkstraße durfte gemäß meinem Vorschläge nur hier am Rande liegen, aber nicht wie es beschlossen ist, den Esch in seiner Mitte durchschneiden. Nach dem Adelingsesch ist übrigens auch eine Straße benannt worden.
Der Adelingsbrink spielte im alten Steinfurt eine große Rolle, denn hier hielten laut dem Ratsprotokoll von 1616 die Bürger ihr Vogelschießen und ihre Heerschau ab. Hier lag auch unweit des Sonnenscheins der 1408-1539 erwähnte „Heilige Stuhl von Sellen“. Da unter Stuhl ein Gerichtsstuhl zu verstehen ist, so hat hier eine uralte Gerichtsstätte der Bauerschaft gelegen, was auch dadurch bestätigt wird, daß laut mehreren Urkunden in seiner Nähe ein „Radstakenkamp“, d. h. eine vormalige Richtstätte mit einem auf der Spitze eines Stakens oder Pfahls befestigtem Rade zum Rädern der verurteilten Verbrecher gelegen hat. Hierbei stand der 1442 bis 1523 erwähnte Heilige Baum, an dessen Ästen die Verbrecher aufknüpft wurden. Besonders aber lag am Brink die Städtische Landwehr, welche dazu bestimmt war, die Ländereien, Kämpe, Äcker und Gärten der Bürger auf dem Adelings- oder Lütken Esch gegen räuberische Banden zu schützen. Wie die Stadt, so hatten auch die drei Bauerschaften sich zu demselben Zwecke im 14. Jahrhundert mit Landwehren umgeben, und sie alle legten bis zum Dreißigjährigen Kriege den höchsten Wert auf die Instandhaltung derselben.
Wie diese Landwehren eingerichtet waren, kann man am besten aus dem noch erhaltenen und unter Denkmalschutz gestellten Teile der Hollicher Landwehr erkennen. Zwei Wassergräben und zwischen ihnen Wälle und ein dichtes Gestrüpp von gekappten Eichen und Dornsträuchern machten das eindringen besonders von berittenen Feinden unmöglich, und nur an wenigen Stellen war ein Durchlaß vorhanden, dessen Schlagbaum durch einen dazu angestellten sogenannten Bäumer bewacht wurde. Die städtische Landwehr lief in weitem Bogen vom Brink über den Hof Adeling, den Kurbaumskamp und die Wulfswiese an Laugemanns Hof vorbei nach der Aa und fand hier nahe dem Hof Schulze Gempt bei Bäumer, dem Hüter des Schlagbaums, Anschluß an die Hollicher Landwehr. |
Zum Verständnis des folgenden müssen hier einige Bemerkungen über ältere Wege eingeschaltet werden. Der von dem Steintor ausgehende Weg, die jetzige Lindenstraße, hieß bis nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Steinweg vor der Steinpforte. Da, wo jetzt die Eisenbahn nach Rheine diese Straße schneidet, hörte der Steinweg auf und fand seine Fortsetzung in zwei sehr alten Wegen, nämlich in dem nach rechts abgehenden Bentheimer Wege oder Damm, der um den Seller Esch herum nach Ochtrup und Bentheim führte, und in der nach links durch den Adelingsesch nach dem Hofe Adeling und dem Brink führenden Adelingsstiege, die von der Landwehr ab den Namen Metelerstiege annahm und nach Metelen führte. Erst in neuerer Zeit ist der Name Adelingsstiege für den genannten Teil durch den Namen Metelerstiege verdrängt worden. Die Ochtruper Landstraße dagegen, welche schnurgrade über den Seller Esch führt, ist erst 1844-49 als ein Teil der Landstraße Münster-Glanebrück gebaut worden, und seitdem hat der Bentheimer Weg seine frühere Bedeutung ganz eingebüßt.
Das ganze weite Gelände zwischen dem Bentheimer Wege und der Ochtruper Straße einerseits und von dem ersten Verbindungswege zwischen den vorgenannten Straßen bis zu den Genossenschaftshäusern und der neuen Friedrich Ebert-Straße anderseits bestand seit alters her aus den sogenannten Kurbaumkämpen (vgl. Urkunde von 1466). Es wird hier auch ein Kurgarten erwähnt, der nach einer Urkunde von 1523 bei dem Kurbaum zwischen dem (Bentheimer) Wege und dem Kurhovel, d. h. Kurhügel gelegen hat. Da der Kurgarten 1646 durch Schenkung an die Stiftung oder das Register der Armen Waisen gekommen ist, so läßt sich seine Lage noch genau feststellen: er lag gegenüber der Wulfswiese, da, wo der neue Sellerweg von dem Bentheimer Wege abgeht.
Die Namen Kurbaum, Kurgarten und Kurhügel klingen ganz rätselhaft und können weder aus dem lateinischen Worte cura (Sorge, Pflege, Heilung, die Kur) noch aus dem deutschen Worte die Kur (Wahl; vgl. Kurfürst) erklärt werden. Sie werden erst verständlich, wenn man weiß, daß es im Niederdeutschen auch ein Wort der Kur (holländisch de koer) gab, welches näher, Turmwächter bedeutete. Schon die alten Römer hatten bei ihren Grenzwällen in gewissen Abständen Wachthäuser errichtet, um herannahende Feinde rechtzeitig erspähen zu können. Dasselbe haben im Mittelalter größere Städte bei ihren Landwehren getan, und daher findet sich z. B. in einer Zeichnung der Landwehr von Deventer ein solches Wachthaus mit der Bezeichnung koerhuys. Auch in Steinfurt wird 1475 ein „kurhus“ (Kurhaus) erwähnt, aber nicht bei einer Landwehr, sondern auf der obersten Plattform des 1786 abgebrochenen hohen Buddenturms im Fürstlichen Schloß. In diesem Kurhaus hielt der gräfliche Kur Wacht und warnte die Schloßbewohner durch einen Hornstoß, wenn er in der Ferne etwas Verdächtiges bemerkte. Im Jahre 1665 wohnte der damalige Kur Hans (de Chuer) in dem Hause am Eingang zum Katthagen neben der Vorburg. Kleinere Städte konnten sich ein solches Kurhaus nicht leisten, sondern mußten sich mit einem hohen Baume, einem Kurbaum, begnügen, in dessen Wipfel der Kur seinen luftigen Sitz nahm. Aus der Wachtrolle von 1402 erfahren wir, daß die Stadt auch noch einen Wachtbaum am Neuenwall besaß.
Die neue Wegebezeichnung „Am Kurbaum“ paßt eigentlich nur aus den oben erwähnten kleinen Verbindungsweg zwischen dem Bentheimer Wege und der Ochtruper Straße, aber um nicht allzu viele ganz kleine Straßen zu bekommen, hat man sie auf die beiden Fortsetzungen dieses Weges über die Ochtruper Straße und die Metelerstiege hinaus bis zur Eisenbahnstraße ausgedehnt. Die kleine Straße „An der Wulfswiese“ verbindet den Bentheimer Weg mit der nach dem „Timmerkamp“ benannten Straße. Die Wulfswiese, auf der vormals das Haus zur Wiese (thor Wysch) stand, verdankt ihren Namen den Burgmannen „de Wulf“. Die „Lange Stiege“, die von der Lindenstraße über die Eisenbahn nach Wettringen führt, hat ihren alten Namen behalten. Der sie durchschneidende kleine Weg bei dem Evang. Friedhof heißt „In der Sandkuhle“.
Von dem Bentheimer Wege zweigten sich nahe dem Wege „Am Kurbaum“ früher Parallelwege ab nach dem hinter den Genossenschaftshäusern liegenden Buracker, wo die Steinfurter viele Ländereien besaßen und zur Zeit der Brache ihre Kühe weideten. Deshalb hießen die beiden Wege der Große und der Kleine Melkeweg. Diese Wege werden jetzt eingezogen und durch einen einzigen neuen ersetzt, der den Namen „Melkeweg“ tragen soll. Der den Melkeweg nahe der Stadtgrenze durchschneidende Querweg heißt „Buracker“, und seine Fortsetzung von der Ochtruper Straße bis zur Metelerstiege erhält den Namen „Ruhenhofweg“ nach einem zwischen dem Buracker und der Hilgenstege vormals gelegenen Hofe, der ein Lehn der Burgmannen von Hewen gewesen ist.
Die sehr alte „Hilgenstege“ (Heilige Stiege) ging hinter dem Adelingsbrink von der Metelerstiege ab und führte an einem Kreuzkamp vorbei nach der an der Ochtruper Straße gelegenen Husstede (Hausstätte), unter der man sich eine vorchristliche Opferstätte vorzustellen hat. Die Hilgenstege verschwindet jetzt leider, weil sie in das neue gradlinige Wegenetz nicht hineinpaßt. Die Erinnerung an sie soll jedoch durch den Namen festgehalten werden, den ein in ihrer Nähe anzulegender Verbindungsweg zwischen der Friedrich Ebert-Straße und dem Ruhenhof tragen wird.
Hiermit haben wir unsere Rundreise durch die Rottorfeldmark und das Verkoppelungsgebiet beendet, und ich schließe diesen Beitrag zur Heimatkunde mit dem Wunsche, daß die neuen Wegenamen in der Bürgerschaft Verständnis und Anklang finden mögen.
Das ganze weite Gelände zwischen dem Bentheimer Wege und der Ochtruper Straße einerseits und von dem ersten Verbindungswege zwischen den vorgenannten Straßen bis zu den Genossenschaftshäusern und der neuen Friedrich Ebert-Straße anderseits bestand seit alters her aus den sogenannten Kurbaumkämpen (vgl. Urkunde von 1466). Es wird hier auch ein Kurgarten erwähnt, der nach einer Urkunde von 1523 bei dem Kurbaum zwischen dem (Bentheimer) Wege und dem Kurhovel, d. h. Kurhügel gelegen hat. Da der Kurgarten 1646 durch Schenkung an die Stiftung oder das Register der Armen Waisen gekommen ist, so läßt sich seine Lage noch genau feststellen: er lag gegenüber der Wulfswiese, da, wo der neue Sellerweg von dem Bentheimer Wege abgeht.
Die Namen Kurbaum, Kurgarten und Kurhügel klingen ganz rätselhaft und können weder aus dem lateinischen Worte cura (Sorge, Pflege, Heilung, die Kur) noch aus dem deutschen Worte die Kur (Wahl; vgl. Kurfürst) erklärt werden. Sie werden erst verständlich, wenn man weiß, daß es im Niederdeutschen auch ein Wort der Kur (holländisch de koer) gab, welches näher, Turmwächter bedeutete. Schon die alten Römer hatten bei ihren Grenzwällen in gewissen Abständen Wachthäuser errichtet, um herannahende Feinde rechtzeitig erspähen zu können. Dasselbe haben im Mittelalter größere Städte bei ihren Landwehren getan, und daher findet sich z. B. in einer Zeichnung der Landwehr von Deventer ein solches Wachthaus mit der Bezeichnung koerhuys. Auch in Steinfurt wird 1475 ein „kurhus“ (Kurhaus) erwähnt, aber nicht bei einer Landwehr, sondern auf der obersten Plattform des 1786 abgebrochenen hohen Buddenturms im Fürstlichen Schloß. In diesem Kurhaus hielt der gräfliche Kur Wacht und warnte die Schloßbewohner durch einen Hornstoß, wenn er in der Ferne etwas Verdächtiges bemerkte. Im Jahre 1665 wohnte der damalige Kur Hans (de Chuer) in dem Hause am Eingang zum Katthagen neben der Vorburg. Kleinere Städte konnten sich ein solches Kurhaus nicht leisten, sondern mußten sich mit einem hohen Baume, einem Kurbaum, begnügen, in dessen Wipfel der Kur seinen luftigen Sitz nahm. Aus der Wachtrolle von 1402 erfahren wir, daß die Stadt auch noch einen Wachtbaum am Neuenwall besaß.
Die neue Wegebezeichnung „Am Kurbaum“ paßt eigentlich nur aus den oben erwähnten kleinen Verbindungsweg zwischen dem Bentheimer Wege und der Ochtruper Straße, aber um nicht allzu viele ganz kleine Straßen zu bekommen, hat man sie auf die beiden Fortsetzungen dieses Weges über die Ochtruper Straße und die Metelerstiege hinaus bis zur Eisenbahnstraße ausgedehnt. Die kleine Straße „An der Wulfswiese“ verbindet den Bentheimer Weg mit der nach dem „Timmerkamp“ benannten Straße. Die Wulfswiese, auf der vormals das Haus zur Wiese (thor Wysch) stand, verdankt ihren Namen den Burgmannen „de Wulf“. Die „Lange Stiege“, die von der Lindenstraße über die Eisenbahn nach Wettringen führt, hat ihren alten Namen behalten. Der sie durchschneidende kleine Weg bei dem Evang. Friedhof heißt „In der Sandkuhle“.
Von dem Bentheimer Wege zweigten sich nahe dem Wege „Am Kurbaum“ früher Parallelwege ab nach dem hinter den Genossenschaftshäusern liegenden Buracker, wo die Steinfurter viele Ländereien besaßen und zur Zeit der Brache ihre Kühe weideten. Deshalb hießen die beiden Wege der Große und der Kleine Melkeweg. Diese Wege werden jetzt eingezogen und durch einen einzigen neuen ersetzt, der den Namen „Melkeweg“ tragen soll. Der den Melkeweg nahe der Stadtgrenze durchschneidende Querweg heißt „Buracker“, und seine Fortsetzung von der Ochtruper Straße bis zur Metelerstiege erhält den Namen „Ruhenhofweg“ nach einem zwischen dem Buracker und der Hilgenstege vormals gelegenen Hofe, der ein Lehn der Burgmannen von Hewen gewesen ist.
Die sehr alte „Hilgenstege“ (Heilige Stiege) ging hinter dem Adelingsbrink von der Metelerstiege ab und führte an einem Kreuzkamp vorbei nach der an der Ochtruper Straße gelegenen Husstede (Hausstätte), unter der man sich eine vorchristliche Opferstätte vorzustellen hat. Die Hilgenstege verschwindet jetzt leider, weil sie in das neue gradlinige Wegenetz nicht hineinpaßt. Die Erinnerung an sie soll jedoch durch den Namen festgehalten werden, den ein in ihrer Nähe anzulegender Verbindungsweg zwischen der Friedrich Ebert-Straße und dem Ruhenhof tragen wird.
Hiermit haben wir unsere Rundreise durch die Rottorfeldmark und das Verkoppelungsgebiet beendet, und ich schließe diesen Beitrag zur Heimatkunde mit dem Wunsche, daß die neuen Wegenamen in der Bürgerschaft Verständnis und Anklang finden mögen.