Die neuen Straßennamen im Verkoppelungsgebiet
Sellen-Burgsteinfurt und in der Rottor-Feldmark
Von Professor Dr. Döhmann, Stadtarchivar, 1929
2. Abschnitt: Zwischen Leerer Strasse und Nordbahn
Das Rott-Tor hieß früher Rottporte oder Holtvorte, weil vor ihm ein großer Wald gelegen hatte, der dann gerodet worden war. Von hier führte die Rottstiege, jetzt Leererstraße genannt, über Veltrup nach Leer. Das hinter der Unterführung westlich von der Leererstraße gelegene große dreieckige Grundstück auf dem die Ziegelei von Gottszky steht, hieß der „Große Vogelsang“. Der zweite Bestandteil dieses häufig vorkommenden Flurnamens ist nicht von Singen, sondern von Sengen, d.h. Brennen, abzuleiten. Der Name bezeichnet also eine abgesengte ehemalige Waldfläche und ist wichtig für die älteste Geschichte von Steinfurt, da er die Erinnerung an eine in alter Zeit durch Feuer bewirkte Rodung des Waldes vor dem Rottor bewahrt. Der „Kleine Vogelsang“ lag nach einer Urkunde von 1616 dem „Großen Vogelsang“ gegenüber auf der anderen Seite der Rottstiege und stieß an den achtersten Bomgarden; im 17. und 18. Jahrhundert hieß er nach seinem Besitzer der Telghauskamp. Da die beiden Wege, welche von der Leererstraße ausgehend den Großen Vogelsang begrenzen, altüberlieferte und daher beizubehaltende Namen tragen, so habe ich geglaubt, behufs Erhaltung des geschichtlich wichtigen Namens „Vogelsang“ diesen Namen dem von Norden her auf die Spitze des Vogelsangs bei der Kulenburg zulaufenden Wege beilegen zu sollen, obwohl dieser Weg in alten Urkunden den farblosen Namen „de Grote Stege“ trägt. Daß jedoch im Lageplan des Stadtbauamts auch der Fortsetzung dieses Weges über die als Kohlstrunk bezeichnete neue Straße hinaus und weiter längs der Nordbahn der Name Vogelsang beigelegt worden ist, kann ich nicht billigen, sondern ich möchte dafür den eben genannten Namen die „Große Stiege“ empfehlen.
Die obenerwähnten beiden Wege, zwischen denen der Große Vogelsang liegt, heißen die Kreuzstiege und die Bonenstiege. Der Name „Kreuzstiege“ verrät schon, daß wir es hier mit alten religiösen Erinnerungen zu tun haben und zwar mit einem Prozessionswege der Johanniter, denen die Edlen von Steinfurt1270 das Patronatrecht über die Pfarrkirche übertragen hatten. Für diese Annahme sprechen folgende Gründe. Die Fortsetzung der Kreuzstiege auf der anderen Seite der Leererstraße ist die Wilderkampstiege, und bei dieser lagen die schon im ersten Abschnitt besprochenen Wemhöfe mit der Weme oder dem ältesten Pfarrhause. Der Orden veranstaltete nach dem Zeugnis von Werner Rolevinck jährlich große Prozessionen und diese werden sicher ihren Weg an dem Pfarrhause vorbei und daher auch durch die Kreuzstiege genommen haben.
2. Abschnitt: Zwischen Leerer Strasse und Nordbahn
Das Rott-Tor hieß früher Rottporte oder Holtvorte, weil vor ihm ein großer Wald gelegen hatte, der dann gerodet worden war. Von hier führte die Rottstiege, jetzt Leererstraße genannt, über Veltrup nach Leer. Das hinter der Unterführung westlich von der Leererstraße gelegene große dreieckige Grundstück auf dem die Ziegelei von Gottszky steht, hieß der „Große Vogelsang“. Der zweite Bestandteil dieses häufig vorkommenden Flurnamens ist nicht von Singen, sondern von Sengen, d.h. Brennen, abzuleiten. Der Name bezeichnet also eine abgesengte ehemalige Waldfläche und ist wichtig für die älteste Geschichte von Steinfurt, da er die Erinnerung an eine in alter Zeit durch Feuer bewirkte Rodung des Waldes vor dem Rottor bewahrt. Der „Kleine Vogelsang“ lag nach einer Urkunde von 1616 dem „Großen Vogelsang“ gegenüber auf der anderen Seite der Rottstiege und stieß an den achtersten Bomgarden; im 17. und 18. Jahrhundert hieß er nach seinem Besitzer der Telghauskamp. Da die beiden Wege, welche von der Leererstraße ausgehend den Großen Vogelsang begrenzen, altüberlieferte und daher beizubehaltende Namen tragen, so habe ich geglaubt, behufs Erhaltung des geschichtlich wichtigen Namens „Vogelsang“ diesen Namen dem von Norden her auf die Spitze des Vogelsangs bei der Kulenburg zulaufenden Wege beilegen zu sollen, obwohl dieser Weg in alten Urkunden den farblosen Namen „de Grote Stege“ trägt. Daß jedoch im Lageplan des Stadtbauamts auch der Fortsetzung dieses Weges über die als Kohlstrunk bezeichnete neue Straße hinaus und weiter längs der Nordbahn der Name Vogelsang beigelegt worden ist, kann ich nicht billigen, sondern ich möchte dafür den eben genannten Namen die „Große Stiege“ empfehlen.
Die obenerwähnten beiden Wege, zwischen denen der Große Vogelsang liegt, heißen die Kreuzstiege und die Bonenstiege. Der Name „Kreuzstiege“ verrät schon, daß wir es hier mit alten religiösen Erinnerungen zu tun haben und zwar mit einem Prozessionswege der Johanniter, denen die Edlen von Steinfurt1270 das Patronatrecht über die Pfarrkirche übertragen hatten. Für diese Annahme sprechen folgende Gründe. Die Fortsetzung der Kreuzstiege auf der anderen Seite der Leererstraße ist die Wilderkampstiege, und bei dieser lagen die schon im ersten Abschnitt besprochenen Wemhöfe mit der Weme oder dem ältesten Pfarrhause. Der Orden veranstaltete nach dem Zeugnis von Werner Rolevinck jährlich große Prozessionen und diese werden sicher ihren Weg an dem Pfarrhause vorbei und daher auch durch die Kreuzstiege genommen haben.
Die „Bonenstiege“, welche später irrtümlich auch Bohlenstiege und Bollenstiege genannt worden ist, führt auf den achtersten Bomgarden zu. Der Bomgarden wurde auch Bumgarden genannt, und derselbe Flurname kommt in Westfalen und Rheinland häufig in der Form Bongard und Bungert vor. „Gard“ nannte man einen eingezäunten Fleck Landes. Schon wegen des örtlichen Zusammenhanges zwischen der Bonenstiege und dem Bomgarden kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß diese beiden Namen in ihren ersten Bestandteilen Bon- und Bom- dasselbe Wort enthalten, welches jedoch weder mit Bohnen noch mit Baum etwas zu tun hat, sondern auf den Bonenjäger, d.h. Wodan hinweist. Der Bomgarden wiederum hängt räumlich zusammen mit dem Friedhof, und dieses Wort bezeichnet einen durch religiöses Gesetz befriedeten, d.h. für unverletzlich erklärten und unter Asylrecht gestellten Ort, also in diesem Falle den geheiligten Bezirk bei der altgermanischen Kultstätte an deren Stelle später die Große Kirche getreten ist. |
Südlich von der Kreuzstiege liegen der Wilmeresch und der Nienkamp, nach denen zwei Wege benannt wurden. Die „Schlietenstiege“, welche gegenüber dem Landgemeindeamt von der Leerer Straße sich abzweigt, erstreckte sich vor dem Bau der von Münster und Oberhausen kommenden Bahnen bis an die Spitze des Vogelsangs und ihr seit dem Eisenbahnbau abgetrennter größerer westlicher Teil wurde dann bisher als „Verlängerte Schlietenstiege“ bezeichnet. Dieser unrichtige und unschöne Name soll jetzt durch die Bezeichnung „Graf Ludwig Straße“ ersetzt werden, weil Graf Ludwig von Bentheim-Steinfurt seit 1791 hier die Kolonie Ludwigsdorf für Ansiedler aus Tecklenburg angelegt hat. Hierüber und über die dort gelegenen Lehngüter der Steinfurter Burgmannen Kohlstrunk, von Hemstede genannt Kule und ihrer Nachfolger findet man Näheres in meiner Schrift über die Burgmannen (II., S. 48-51, 70 f.), wo zu ergänzen ist, daß um 1590 Goswin von Münster im Besitz dieser Lehngüter war und daß nach ihm die großen Münsterkämpe genannt worden sind, auf deren einem das Bahnhofsgebäude steht. Die Namen „Kohlstrunk“, „Kulenburg“ und „Münsterkamp“ für die zu dem vormaligen Lehngut gehörigen Ländereien haben sich bis heute erhalten und sind daher drei Wegen beigelegt worden. Die Kleine Stege bei der Kulenburg wird übrigens auch in einer Urkunde von 1597 erwähnt.
Der Weg, der von der Spitze des Vogelsangs nach Westen läuft und hier teilweise die Grenze des Stadtgebiets bildet, hieß seit alters die „Hachstiege“ oder Hagstiege, weil er nach dem „Haggarten“, einer Unterbauerschaft von Sellen, führt. Da Sag oder Hag (Hagen, Hain) Wald bedeutet, so ist der Name Hachstiege wichtig für die älteste Siedelungsgeschichte unserer Gegend. Er muß deshalb in seiner vollen Ausdehnung erhalten bleiben, und der vom Vogelsang bis zur Sandstiege reichende Teil darf nicht, wie im Lageplan angegeben ist, zur Graf Ludwig Straße geschlagen werden.
Von der Hachstiege führte die sehr alte „Sandstiege“ nahe der jetzigen Grenze des Stadtgebiets über den Buschkamp und den Schlatkamp nach der Metelerstiege. Da aber ihre beiden letzten Abschnitte bei dem Buschkamp durch die Nordbahn und bei dem Schlatkamp durch eine neue Querstraße unterbrochen und von dem ersten Teile der Sandstiege ganz abgetrennt worden sind, so mußten sie besondere neue Namen erhalten, nämlich „Buschkamp“ und „Schlatkamp“. Schlat, Schlot oder Schlaut bedeutet Sumpf, Tümpel. Die von der Sandstiege in ihrem ersten Abschnitt abzweigende und bis zur Nordbahn reichende „Lepperstiege“ ist nach einem vor 1400 lebenden Bürger auf dem Friedhof Johann de Lepper schon im 15. Jahrhundert so genannt worden.
Der Weg, der von der Spitze des Vogelsangs nach Westen läuft und hier teilweise die Grenze des Stadtgebiets bildet, hieß seit alters die „Hachstiege“ oder Hagstiege, weil er nach dem „Haggarten“, einer Unterbauerschaft von Sellen, führt. Da Sag oder Hag (Hagen, Hain) Wald bedeutet, so ist der Name Hachstiege wichtig für die älteste Siedelungsgeschichte unserer Gegend. Er muß deshalb in seiner vollen Ausdehnung erhalten bleiben, und der vom Vogelsang bis zur Sandstiege reichende Teil darf nicht, wie im Lageplan angegeben ist, zur Graf Ludwig Straße geschlagen werden.
Von der Hachstiege führte die sehr alte „Sandstiege“ nahe der jetzigen Grenze des Stadtgebiets über den Buschkamp und den Schlatkamp nach der Metelerstiege. Da aber ihre beiden letzten Abschnitte bei dem Buschkamp durch die Nordbahn und bei dem Schlatkamp durch eine neue Querstraße unterbrochen und von dem ersten Teile der Sandstiege ganz abgetrennt worden sind, so mußten sie besondere neue Namen erhalten, nämlich „Buschkamp“ und „Schlatkamp“. Schlat, Schlot oder Schlaut bedeutet Sumpf, Tümpel. Die von der Sandstiege in ihrem ersten Abschnitt abzweigende und bis zur Nordbahn reichende „Lepperstiege“ ist nach einem vor 1400 lebenden Bürger auf dem Friedhof Johann de Lepper schon im 15. Jahrhundert so genannt worden.